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picture rubble / raw material
bilderschutt / rohmaterial


Ein Projekt von Rainer Ganahl on line:

werkstadt.mur.at/rainer_ganahl

'Bilderschutt / Rohmaterial' ist was es ist: sezierter TV_Müll, technisch gefrorener Propagandatrash von zensurierten Sattelitenbildern weniger Medienmonopolinhaber, der an alle Medienzentralen der Welt weiterverkauft werden um einen Krieg zu legitimieren, ästhetisch aufzuarbeiten und konsumgerecht mit Werbeeinschaltungen zu plausibilisieren. Es handelt sich dabei um das Fernsehmaterial, das den Krieg in Afghanistan und die Jagd nach Bin Laden zum Thema hat und derzeit unter dem Nenner 'war on terrorism' ­ Krieg gegen Terrorismus ­ geführt wird und von mir in New York sporadisch registriert wird.

Mein Interesse an diesen vom Fernseher abfotografierten Bildern liegt nicht nur an dem, was die Transmission mit intrinsischer Faszination überträgt: exotische Landschaften, spektakuläres Elend und Gewalt, farbige Landkarten mit Schlachtpositionen, Nahaufnahmen von verhüllten und enthüllten Gesichtern, von protestierenden oder siegestrunkenen chaotischen Massen, Basare mit Waffen, Bin Laden Poster und Pin Up Girls, hightech und lowtech Militäraktionen, kollaterale Schäden, Bartabschneider, Journalisten im gefährlichen Arbeitsfeld und nicht zuletzt die endlosen, sich abwechselnden Experten und Lageanalytiker in den Studios. Das Anhalten der laufenden Fernsehbilder zeigt neben der technischen Textur ­ das Raster der Bildauflösung, die Überblendungen usw. ­ vor allem auch das derzeitige Interface dieser Bilder.

Die jeweilige TV-Station verpackt die freigegebenen Bildbankbilder ­ stock images ­ entsprechend ihrer TV-Signatur unterschiedlich und offeriert dazu noch eine Reihe anderer Informationen, die in diverse, bewegte und unbewegte Text- und Bildblöcke geschichtet, die visuelle Information kondensieren und komprimieren. Dieses visuelle labeling und branding zu einer TV corporate identity familiarisiert und normalisiert die Bilder für den angepassten Zuschauer mindestens in dem Maße wie die Unterschriften der Regionalexperten ­ area experts - das Bildmaterial autorisieren und verifizieren.

Ihrem Bilderfluss entnommen geben sich die so fixierten Bilder in ihrer Vielschichtigkeit und in ihrer rechtlichen Eingebundenheit besser zu erkennen. Die Welt, reduziert zu stenographischen Kurznachrichten ­ headline news ­ ergänzt, verdoppelt und kontrapunktiert das oder die zentralen Aktionsfenster. Die angehaltenen Laufbandtextfragmente kompetieren durch ihren Stillstand verstärkt nicht nur mit den gesendeten Bildern, sondern auch mit der Unzahl von Logos, den verbalen und graphischen Indikatoren von Emissionsmodalitäten, Übertragungsorten, den Namen von Reportern, den konkurierenden fixen Programmüberschriften und den ständig alterierenden, explikativen Fensterunterschriften: 'War on terror', 'Witness to war', 'Explorer', 'Live', 'From Kabul', 'MSNBC', 'FOX', 'CNN', 'CNN headline news', 'Coming up', 'Exclusive', ' Carol Lyn, CNN, Quetta, Pakistan', '7 killed in Palestine', 'sportnews', 'America strikes', 'Homeland security', 'Captial Gang', 'Larry King live', 'Afghanistan, Humanitarian Aid' usw.

Dieser Vertextung von akustischem und visuellem Infotainment, dass in kurzen Intervallen wiederholt und mit oft patriotischen Werbeeinschaltungen sequentiell unterbrochen wird, füge ich nun noch eine zusätzliche textuelle Ebene hinzu: 'Picture rubble / raw material: landscape 1' ' ...: 2 men standing 1', '...: heavy metal 3' usw. Mit einer Kombination von Projekttitel und deskriptivem Stichwortkatalog versuche ich, eine neue Ordnungslogik ins Spiel zu bringen. Die logohafte Textgraphik in den amerikanischen Farben rot, blau und weiß ist unterhalb des Bildes angebracht und ist nicht integraler Teil des Infotainmentbildes. Die Stichwörter sind naiv gehalten und geben vor, die Ernsthaftigkeit der Bilder zu ignorieren und eine klare nachvollziehbare Ordnung zu schaffen. Diese extralogische Ordnung soll helfen, den reflexiven Anschlusswert der Bilder zu erhöhen, den oft ungewollt ironischen, widersprüchlichen, hypokritischen oder banalen Inhalt des vielgeschichteten Bilder- und Informationskomplexes einer kritischen Beobachtung zu überführen.

Das Internet erlaubt mir, dieses Medienkriegsmaterial ­ so muss es wohl genannt werden - dank einer Zufallsfunktion neu zu verknüpfen, unkonventionell, relativ langsam abzurufen und es über die mediale Bild- und Informationshalbwertzeit hinaus zu archivieren und abrufbar zuhalten. Die Diskrepanz zwischen der technischen Sophistiziertheit des elektronischen Interfaces und der Simplizität der zerbombten Lebenswelt der Konfliktpartner lässt die Frage nach Gerechtigkeit, Wahrheitsfindung und Legitimation erst gar nicht aufkommen. Letztere sind Monopol der Inhaber von Satelliten und Laserwaffen, die die Welt mit Pictures in Echtzeit und Brillianz versorgen. We are taking care of them, we are well taken care of. Diesem Bildatlas muss nichts wesentlichers mehr hinzugefügt werden.

Rainer Ganahl, New York, 24. November 2001

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